Baustellen-Nerv

Mit dem Wahlkampfmobil unterwegs in Niedersachsen. Bild: Dirk Bleicker

Ministerpräsidenten muss man sich als fahrendes Volk vorstellen. Ein kleiner Ausschnitt aus der letzten Woche: Am Montag in den Landkreis Osnabrück (über die BAB 2), am Dienstag nach Celle, am Mittwoch nach Ostfriesland (über die BAB 7), am Donnerstag noch mal in den Landkreis Osnabrück (über die BAB 2), am Freitag nach Bremen (über die BAB 7). Da wird man automatisch zum Stau- und Baustellenexperten. Denn inzwischen platzt unsere Verkehrsinfrastruktur an vielen Stellen aus den Nähten und an den Baustellen ist es dann umso schlimmer. Wenn es halbwegs passt, fahre ich auch gerne mit dem Zug, zum Beispiel nach Berlin. Nur: Auch die Bahn ist voll und muss viel tun an ihrer Infrastruktur, das wissen alle Bahnfahrerinnen und -fahrer zur Genüge.

Wo ist also das Problem? Bis vor kurzem lautete die Antwort automatisch: Zu wenig Geld. Und es stimmt, jahrzehntelang ist die Verkehrsinfrastruktur nicht genug gepflegt und nicht bedarfsgerecht ausgebaut worden. Inzwischen ist aber deutlich mehr Geld in den öffentlichen Kassen und das spüren auch die Verkehrsetats. Umso mehr fällt jetzt deswegen bei allen Projekten außerhalb bloßer Reparaturen ein hausgemachtes Problem auf – unser besonders aufwändiges, umständliches und zeitraubendes Planungsrecht.

Bis zum ersten Spatenstich vergehen bei den meisten Vorhaben etliche Jahre und größere Infrastrukturprojekte sind wahre Generationenaufgaben. Ein ‚schönes‘ Beispiel ist die Friesenbrücke bei Weener in Ostfriesland. Das ist eine Eisenbahnbrücke über die Ems, die seit einem Jahrhundert den Nordwesten mit den Nordprovinzen der Niederlande verbindet. Eines Morgens im Dezember 2015 rammt ein russischer Frachter die Brücke und verursacht einen wirtschaftlichen Totalschaden, wie man bei einem Auto sagen würde. Wo soll – so fragt sich der Laie – das Problem sein? Einfach neu bauen und fertig, oder? Aber nicht bei uns – bei uns ist erst einmal ein ganz neues Planverfahren fällig und wenn´s gut läuft, ist die Neueröffnung im Jahr 2024. Unserer niederländischen Nachbarn verstehen die Welt nicht mehr.

Um nicht missverstanden zu werden: Bürgerbeteiligung ist selbstverständlich. Aber auch die Niederlande, Dänemark und all die anderen Länder sind Rechtsstaaten mit Bürgerbeteiligung. Warum ist man dort um so vieles schneller als bei uns? Und was hindert uns daran, es auch so zu machen?

Der Bundesverkehrsminister arbeitet zur Zeit an einem Gesetz zur Beschleunigung von Infrastruktur-Projekten. Da wird an allen möglichen Schrauben gedreht und am Ende wird eine Beschleunigung von 10 bis 15 Prozent erwartet. Das ist gut und richtig, aber der große Durchbruch steht noch aus. Wie wäre es zum Beispiel, gezielt die Erfahrungen unserer Nachbarn zu nutzen und zu einem anderen System zu gelangen? Das wäre doch allemal klüger als sich mit der Misere abzufinden und es wäre ein schönes Stück Staatsreform.

Ich wünsche Euch eine gute Woche!